Im Winter Motorradfahren? Warum nicht! Schließlich findet man so manche Herausforderung direkt vor der Haustüre...Wie immer auf der Suche nach
meinen eigenen Grenzen, den Grenzen der Maschine und das Materials, offen für die Menschen und Begebenheiten unterwegs und total gespannt auf die fremden Kulturen unterwegs. Und meine Neugierde
sollte belohnt werden...
Kalt ist es, als ich Mitte Januar meine Sachen auf die BMW R 1200 GS packe und mich auf den Weg nach Syrien mache. Verrückt sagen die Einen, völlig durchgedreht die Anderen.
Aber so abwegig finde ich den Plan gar nicht, dem Winter auf dem Landweg zu entfliehen und so mache ich mich auf, die ersten Kilometer gen Süden unter die Stollenreifen zu nehmen. Bis jetzt war
der Winter sehr zurückhaltend, aber kurz hinter der Österreichischen Grenze ist es damit vorbei. Dichtes Schneetreiben versperrt die Sicht und verwandelt die Autobahn innerhalb einer halben
Stunde in eine Skipiste. Auf dem Standstreifen ziehe ich die Schneeketten auf den TKC 80 und nach kurzer Eingewöhnungsphase beginnt der Spaß. Mit fast 80km/h und einer langen Schneefahne im
Schlepptau lasse ich das Verkehrschaos auf der rutschigen Autobahn rechts liegen. So mancher Autofahrer traut seinen Augen nicht, als er mich auf der Überholspur vorbeifahren sieht. Auch die
KTM-Dorfjungend in meinem Übernachtungsort kann nicht fassen wie ich hierher gekommen bin und kürt mich, trotz der „falschen“ Motorradmarke zu einem „Sauharten Hund“, was wir mit reichlich
einheimischen Brauereierzeugnissen feiern.
Gegen den Widerstand meines Vermieters ziehe ich auch am nächsten Morgen die Schneeketten wieder auf und setze meine Fahrt über die teilweise gesperrte und völlig
verschneite Autobahn fort. Erst kurz vor Graz hat der Winter ein Einsehen mit mir und die Ketten können runter. In Slowenien bekomme ich sogar noch etwas Abendsonne ab. Serbien präsentiert sich
wunderschön. Die morgendliche Sonne taucht die reifüberzogene Landschaft in einen märchenhaften Farbton. Nicht so märchenhaft sind allerdings die satten –10 Grad, bei denen ich mich morgens
wieder auf die Maschine schwinge. Schnell noch die Rückspiegel frei gekratzt und ab in Richtung Süden.
Bei Niz endet die nagelneue, serbische Autobahn und über eine schmale Gebirgsstraße fahre ich in Richtung Bulgarien. Das Thermometer ist auf –15 Grad gefallen und ein
Hotel-Hinweisschild ist meine Rettung. Noch 20km bis zu einer heißen Dusche – entsprechend ziehe ich am Gas und werde prompt von der Polizei geblitzt und angehalten. Nach langen Diskussionen kann
ich sie davon überzeugen, dass mein Ausweis nicht zum Richter muss, sondern ich sofort weiterfahren darf. In Pirot (Serbien) warten schon einige Biker auf mich, die ich bei der Polizeikontrolle
getroffen habe. Bei einigen Bieren wird viel gelacht, ich lerne die Mitglieder des Motorradclubs kennen und der Präsident lädt mich spontan zu sich nach Hause zum Übernachten und Essen
ein.
An der Bulgarisch/Türkischen Grenze reihe ich mich in die lange Warteschlange ein, als mir einer der dort Wartenden bedeutet, doch nach vorne zu fahren. Ich halte direkt am
Zollhaus. Dort kümmert man sich um meine Papiere, während ich mich in der Wechselstube zum Millionär mache. Als ich zurückkomme sind meine Papiere fertig, ich zahle 2 Mio Türkische Lira, bekomme
einen letzten Stempel und bin drin. Jetzt ist es nicht mehr weit bis zum Mittelmeer und dort muss es doch endlich wärmer werden.
Ich kämpfe mich durch das absolute Verkehrschaos von Istanbul und die vielen Mautstellen und überquere am Bosporus die Grenze zwischen Europa und Asien. Wärme Fehlanzeige.
Noch immer zeigt mein Thermometer deutlich unter Null an. Am Marmarameer gönne ich mir den Besuch in einem Hamam (Türkisches Dampfbad) und siehe da, am nächsten Morgen ist es schon deutlich
wärmer. Die Schneereste am Straßenrand erinnern mich jedoch ständig an die Jahreszeit in der ich unterwegs bin. In langen Kurven zieht sich die Straße den Berg hinauf und ehe ich mich versehe
stehe ich mitten in einem türkischen Skigebiet – Hochsaison. Gegen Mittag überlege ich in Ankara kurz, ob ich für heute Schluss machen soll, aber die Hoffnung auf Wärme treibt mich voran. Es ist
grau und kalt, der scharfe Wind treibt Schneefahnen von der kargen Landschaft über die trockene Straße. Mit 120km/h versuche ich der Kälte zu entfliehen, als ich einen dunklen Fleck auf der
Straße sehe. Zu eingefroren um schnell reagieren zu können verliere ich auf der Eispritsche die Kontrolle über die Maschine und schlage unsanft auf dem harten Asphalt auf.
Ein kurzer Systemcheck zeigt, alles tut weh, scheint aber nichts gebrochen. Meine Maschine liegt auf der Seite, hat aber dank der Sturzbügel und den GOBI Koffern außer einem
verbogenen Lenker keine Schäden. Ein LKW Fahrer hilft mir die BMW von der Straße zu schieben und ich informiere den ADAC. Kurz darauf kommt auch die Polizei und nimmt den Unfall auf. Der ADAC
kümmert sich um den Rest, lässt die Maschine abschleppen und besorgt mir ein Hotel. Nach einem Besuch im Krankenhaus ist klar, ich habe nur Prellungen und eine Gehirnerschütterung. Ich stelle die
Maschine beim Zoll in Ankara ab und fliege für 5 Wochen zur Erholung nach Hause.
Anfang März zurück in Ankara, brauche ich fast 14 Tage, bis ich mit Hilfe des ADAC meine Maschine aus der Zollverwahrung wieder herausbekomme und sie reparieren kann.
Endlich kann es weiter gehen. In Göreme mitten in Kapadokien mache ich Pause und gönne mir ein paar kleine Offroadausflüge zwischen den faszinieren Steinformationen. Eigentlich sollte nun der
Frühling beginnen, statt dessen liegen am nächsten Morgen gut 10cm Neuschnee auf den Bergen und meiner Maschine. Längst habe ich die Schmerzen des Sturzes vergessen und mit viel Freude kämpfe ich
mich durch das eiskalte, winterliche, anatolische Hochland. Vorbei an hohen Schneewänden, über steile Pässe mit engen Kurven quere ich das Gebirge und erst 1.000km später wird es endlich spürbar
wärmer. Dafür beginnt es in Strömen zu regnen. Aber die alte Weisheit, dass nach Regen Sonnenschein folgt, greift auch hier und bei strahlendem Sonnenschein und fast 20 Grad erreiche ich die
Syrische Grenze.
Der Orient empfängt mich mit offenen Armen. Da ich kein Carnet de passages dabei habe, bekomme ich einen jungen Mann an meine Seite gestellt, der mit mir die Formalitäten
abarbeitet. Versicherung, Verzollung, Einreise, Visa kontrollieren. Als ich schon fast den letzten Stempel im Pass habe, entdeckt einer der Zöllner meinen PDA, den ich zur Navigation nutze. Das
Gerät ist ihm suspekt und muss konfisziert werden. Ich bekomme ein Formular mit vielen Unterschriften und mache mich ohne Navi-PDA auf den Weg. Beim ersten Tankstop in Syrien bekomme eine Tasse
syrischen Kaffee und werde freundlich mit „Welcome to Syria“ begrüßt. Diesen Satz höre ich den nächsten Tagen noch sehr oft und immer ist er ernst gemeint und ehrlich.
In Hama lasse ich den Orient auf mich wirken. In der quirligen Stadt leben Christen und Muslime wunderbar zusammen und selbst die Feiertage haben sie gegenseitig übernommen.
Es ist bunt, lebenslustig und spannend hier. Viele fremde Gerüche und Töne strömen auf mich ein. Ich gönne mir einen entspannten Tag in der Stadt aus tausend und einer Nacht, bevor ich mich auf
den Weg in die Wüste mache. Schnell verschwindet das Grün im Rückspiegel und die ockerfarbene Steinwüste öffnet sich vor mir. An der letzten Tankstelle vor der Wüste fülle ich den Tank und lande
kurz darauf auf einer nagelneuen Asphaltstraße. So hatte ich mir das ja nicht vorgestellt. Spontan entscheide ich mich für eine kleine, sandig-steinige Piste, die dem Verlauf der Straße folgt,
aber eine Menge mehr Spaß bringt als der Asphalt.
Leider kann ich dem Wegweiser nach Bagdad nicht folgen und so biege ich links nach Palmyra ab. Die Ruinen der Stadt gehören zu den Eindrucksvollsten überhaupt und während
hunderte von Touristen den Sonnenuntergang über den Bergen bestaunen, entdecke ich ganz alleine den Vollmondaufgang über den Ruinen auf der anderen Seite des Berges. Quer durch die Wüste geht es
über eine knackige Piste zurück in Richtung Euphrat. Immer wieder werde ich von Beduinen auf eine Tasse Tee und ein paar Züge an der Schischa (Wasserpfeife) eingeladen und so zieht sich der
Rückweg durch die Wüste. Die Gastfreundschaft der Syrier ist beispiellos. Einladungen zum Tee enden nicht selten in der Einladung zum Mittag- & Abendessen und zur Übernachtung. In Aleppo
lassen ich in einem alten Hotel den Charm der ehemaligen Kolonialzeit auf mich wirken, bevor ich an der syrisch/türkischen Grenze mein PDA wieder abhole und mich auf den Heimweg mache. Kaum
wieder in der Türkei verlässt mich das angenehm sonnige und warme Syrische Winterwetter und das nass-kalte Wetter hat mich wieder. Um so schneller möchte ich nun wieder nach Hause. Bei strömendem
Regen und einsetzender Dämmerung verlasse ich Bulgarien und möchte nach Serbien einreisen. Leider habe ich irgendwo bei den vielen Besuchen im türkischen Zollamt meine Grüne Versicherungskarte
verloren und ohne die gibt es keinen Einreisestempel. Ich soll eine Versicherung abschließen für 50 Euro (für einen Tag), Kreditkarten werden aber nur bis Mittags angenommen.... Schon versuche
ich mich mit der Idee anzufreunden eine Nacht im Bulgarisch/Serbischen Niemandsland zu verbringen, als mir die Freunde vom Serbischen Motorradclub wieder einfallen. Einige Telefonate sind
notwendig, bis mein Problem verstanden ist, dann geht aber alles ganz schnell. Ich werde von dem Soldaten einer Spezialeinheit abgeholt, bekomme innerhalb von 2 Minuten meinen Ausweis wieder und
bin drin. Natürlich warten in Pirot meine Serbischen Freunde schon und diese „Rettung“ wird noch lange gefeiert. Mit wenig Schlaf mache ich mich am Morgen auf gen Heimat. Bei der Ausreise aus
Serbien zeige ich meine Fahrzeugpapiere vor. Der Beamte blickt auf einen gelben Zettel an seinem Bildschirm, schaut mich an und sagt: „ Have a good trip Joe“...
Nach fast 9.000km erreiche ich zwei Tage später die Heimat. Die Maschine bekommt frisches Öl, ich eine Dusche und schon sind wir beide wieder bereit für neue Abenteuer.