DIE REISE NACH TRULALA

Tja, wo liegt Trulala? 

Das Buch des deutsch/russischen Schriftsteller Vladimir Kaminer “Die Reise nach Trulala” war für Corinna und mich Grund genug, uns auf die Sache nach dem Ort zu machen, den Vladimir Kaminer in seiner äußerst amüsanten Geschichte beschreibt. Laut dem Buch liegt Trulala auf der Krim (Ukraine) und da wir nicht “nur” direkt auf die Krim fahren wollten, haben wir eben “die lange Reise nach Trulala” daraus gemacht. Lang deshalb, da wir die Gelegenheit genutzt haben einen alten Freund aus Vladivostok in Kaliningrad zu Besuchen und gleich noch der Wolga von der Quelle in Wolgowerchowe bis hinunter zum Caspischen Meer zu folgen.

 

Die lange Reise nach Trulala

 

Mit einer BMW R 1200 GS und einer BMW R 1200 Adventure machten wir uns auf, um einen Ort zu suchen, den wir nur aus einem Roman kannten: Trulala. Auf der 11.000km langen Reise durch Osteuropa und Westrussland gab es für Corinna und mich eine Menge zu entdecken.

 

Wie kommt man dazu, eine leicht satirische Romangeschichte als Grundlage für ein Reiseziel zu wählen? So genau können wir das auch nicht beantworten, aber die Geschichte „Die Reise nach Trulala“ von Wladimir Kaminer hat uns so zum Lachen gebracht, dass wir uns spontan dazu entschlossen, diesen Ort zu suchen. Ein Besuch bei Wladimir Kaminer in Berlin hat uns in diesem Entschluss noch bestärkt und nach nur wenigen Wochen Vorplanung, die vornehmlich mit der Visabeschaffung und dem Aufrüsten der Maschinen ausgefüllt waren, ging es Anfang August los. Laut der Geschichte liegt der Ort Trulala auf der Krim (Ukraine) und hat etwas mit dem Absturzort von Joseph Beuys im zweiten Weltkrieg zu tun. Direkt auf die Krim zu fahren war uns natürlich zu einfach und so beschlossen wir, auf der gleichen Tour der Wolga, mit über 3.500km dem längsten Fluss Europas, von der Quelle bis an das Caspische Meer zu folgen.

 

Deutschland lassen wir schnell hinter uns und erreichen schnell Polen. Die griffigen, polnischen Straßen, endlosen Alleen, die saftigen Wiesen und dunkelgrünen Wälder lassen zusammen mit den freundlichen Verkehrsteilnehmern schnell wahre Urlaubsstimmung aufkommen. In der roten Abendsonne auf kleinen Nebenstraßen durch Masuren zu fahren, gehört zu den schönsten Motorraderlebnissen, die der Osten Europas zu bieten hat. Das krasse Gegenteil zu der Ruhe in Polen hat Kaliningrad, das ehemalige Königsberg, für uns parat. Erstaunlich schnell haben wir die Grenzhürden überwunden und schon stecken wir mitten im chaotischen Russischen Verkehr. Unser Gastgeber Sergej, der schon bei meiner Vladivostok Tour 2003 mein Gastgeber war, fährt in seinem Jeep voraus und für Corinna bleibt wenig Zeit sich an die Besonderheiten des russischen Verkehrs zu gewöhnen. Mitten durch die Stadt geht es auf Feldwegen, über Gehwege, tiefe Löcher und mehr als einmal zweifeln wir an der Wegführung. Irgendwann liegt die Stadt jedoch hinter uns und wir bekommen als kleines Sahnehäubchen noch gut 10km Offroad auf der Zufahrt zu Sergejs Haus geboten. Eigentlich sollte hier längst eine Straße lang führen, da die Stadt aber kein Geld ausgeben möchte, führt eben eine wilde Piste durch die Wälder zu dem Wohngebiet, indem Sergejs Haus steht. Liebevoll werden wir von seiner ganzen Familie in Empfang genommen und seine Mutter gibt in den nächsten drei Tagen ihr ganzes kulinarisches Können zum besten. Da kommt eine ausgedehnte Stadtführung auf den Spuren unserer gemeinsamen Geschichte als Verdauungsspazierung sehr gelegen. Im ersten Museeum gibt es gleich einen Disput zwischen Sergej und der Ticketverkäuferin: In Russland gibt es zwei Kartenpreise. Einen für russische Steuerzahler (sehr günstig) und einen für Touristen (sehr teuer). Sergej kauft natürlich die günstigen Karten für uns. Als dies beim Kartenabreisen bemerkt wird, kommt es zu einer lautstarken Diskussion. Als Ergebnis müssen wir bei allen anderen Gedenkstätten und Museeum den Mund halten, bis wir an den Kartenabreissern vorbei sind....

 

Wir haben noch viel vor uns und so verlassen wir Sergej und seine Familie nach 3 Tagen und schwingen uns wieder auf die Maschinen. Über die Kurische Nehrung wollen wir Russland in Richtung Litauen verlassen, müssen aber zuerst noch 500 Rubel für die Befahrung der Russischen Seite der Nehrung bezahlen. In Litauen bezahlen wir dann noch mal 2 Euro für die Befahrung der oberen Hälfte der Nehrung sind dafür aber innerhalb weniger Minuten durch die Grenzen.  Eigentlich wollen wir am langen Sandstrand der Nehrung zelten, dies ist aber leider strickt verboten und so schummeln wir uns über die VIP-Spur an der Warteschlange der Fähre vorbei und dürfen ohne Ticket auf die abfahrfertige Fähre fahren.

 

Die virtuelle Zeitreise in Litauen und Lettland ist die perfekte Einstimmung auf Russland. Hier ticken die Uhren langsamer und immer wieder hat man das Gefühl, das man in die 50er Jahre zurück versetzt wird. Pferdefuhrwerke auf der Hauptstraße gehören ganz selbstverständlich dazu, Pferde und Kühe grasen auf den saftigen Wiesen und lassen sich auch von zwei Motorrädern nicht aus der Ruhe bringen. Bauer sitzen auf den Feldern und melken ihr Vieh, die Felder werden mit Pferdegespannen bearbeitet und auch die Ernte ist noch reine Handarbeit. Die Natur scheint unberührter und zufriedener als bei uns. Eine Ruhe liegt in der Luft, die sich schnell auf uns überträgt. An einem kleinen Grenzübergang wechseln wir von Litauen nach Lettland. Für die gelangweilten Zöllner eine willkommene Abwechslung. Sie sammeln unsere Papiere ein und verschwinden in einem kleinen Häuschen. Eine Viertel Stunde lang hören wir Stimmen und lautes Gelächter, dann bekommen wir unsere Papiere zurück und dürfen weiter. Sind die Bilder in unseren Pässen wirklich so komisch? Der Abzweig nach Jekapils kurz hinter der Grenze läßt unsere Herzen höher schlagen: Schotterpiste vom Feinsten! Endlich können unsere 21 Zoll Vorderräder ihr ganzes Können zeigen. Der deutlich bessere Geradeauslauf der Räder läßt uns schnell übermütig werden und erst nach einigen Drifts um die langezogenen Kurven der Piste nehmen wir das Gas etwas zurück. Schließlich machen wir keinen Tagesausflug mit leichten Sportmaschinen, sondern sind auf einer großen Tour mit vollbeladenen Maschinen.

 

Die Grenzformalitäten für Russland sind schnell erledigt, allerdings hat der Versicherungsbeamte keine große Lust zu arbeiten. Als Ergebnis übernimmt er die Versicherungs- und Zolldaten aus unserer Einreise nach Kaliningrad, was für uns bedeutet, dass wir mitten in Russland unsere Zollpapiere und Versicherung verlängern müssen. Das kann Lustig werden. Die Kilometer bis Ostrov lassen wir gemütlich angehen - auf diesem Stück bin ich im Frühjahr schon einmal von der Polizei geblitzt worden. Die Vorsicht zahlt sich aus, diesmal tappen andere Verkehrsteilnehmer in die Falle der Polizei getappt. In Ostrov beziehen wir schon am frühen Nachmittag in unser Zimmer in der einzigen Herberge der Stadt und wollen den Tag nutzen einen kleinen Reisebericht per Internet nach Hause zu schicken. Im Postamt steht auch ein PC zur Internetnutzung zur Verfügung, als jedoch nach 1 Stunde die Startseite von Google noch immer nicht aufgebaut ist, geben wir auf. Vor dem Hotel spricht uns ein Offizier der Arme an. Er spricht ein paar Brocken Deutsch (von seiner Zeit als Grenzsoldat in der DDR) und lädt uns auf ein kleines Getränk ein. Aus dem einen Bier werden viele und die Verständigung wird mit zunehmendem Alkoholpegel immer besser. Im letzten Licht der Abendsonne bekommen wir dann sogar noch eine Stadtführung und viele interessante Einblicke in die lokale Geschichte und Denkweise.

 

Die Wolgaquelle ruft und so verlassen wir am nächsten Morgen die Hauptstraße M9 in Richtung Moskau und wenden uns in Richtung Norden. Praktisch kein Verkehr und der meist griffige Asphalt machen die Fahrt durch die vielen vergessenen Dörfer, die endlosen Wälder und rießigen Felder zum reinen Vergnügen. Nur die Navigation ist nicht ganz einfach, da die Schreibweise der Ortsnamen oftmals leicht von der Schreibweise im Autoatlas abweicht und eine sonstige Beschilderung gibt es nicht. Die Sonne steht schon recht tief, als wir das erste Mal die Wolga überqueren - wir sind also richtig. Dann sehen wir den ersten Wegweiser nach Wolgowerchowe, dem Quellort, und folgen ihm: Piste! Schon stehen wir in den Rasten und lassen unsere Maschinen fliegen, die langen Staubfahnen hinter uns zeugen von unserem Vergnügen. In Wolgowerchowe angekommen verschwindet unser breites Grinsen jedoch gleich wieder aus unseren Gesichtern: Der Ort und die Zufahrt zur Quelle sind mit einer Schranke gesperrt. Nur zu Fuß darf man zur Quelle pilgern. Zu Fuß? Einer der Dorfbewohner läßt beim Hinausfahren die Schranke offen - perfekt, der Weg ist frei. Wir fahren bis zur Quelle und erfreuen uns an dem kühlen Nass. Von nun an wird die Wolga bis hinunter an‘s Capsische Meer unsere Begleiterin sein.

 

Den Plan, der Wolga möglichst exakt zu folgen, müssen wir am nächsten Tag leicht ändern. In strömendem Regen landen wir auf einer Umleitung, die mit den schweren Maschinen und bei diesem Wetter einfach nicht zu befahren ist. So „klauen“ wir der Wolga ein paar Kilometer über die Hauptstraße und machen uns auf in Richtung Rybinsk, dem nördlichsten Punkt der Wolga. Wir verlassen die Hauptstrasse und hangeln uns von Ort zu Ort. Kein Wegweiser zeigt uns die Richtung und in fast jedem Dorf müssen wir den Kompass und den Straßenatlas zu Rate ziehen. Die Region ist wunderschön verschlafen. Vor den Häusern in den Dörfern stehen Stühle, auf denen die Bewohner die Erzeugnisse aus ihren Gärten anbieten. Erdige Kartoffeln, frischen Dill, tiefrote Tomaten, duftende Zwiebeln, frische Milch und kleine Gurken stehen zur Auswahl. Dazwischen sitzen die Frauen unter einem Regenschirm, spielen die Kinder, die uns lachend zuwinken und versuchen ein paar Meter neben uns her zu laufen.  Gegen Abend erreichen wir eine große Stadt, die wir voller Überzeugung für Rybinsk halten. Leider sind praktisch alle Hotels ausgebucht und wir müssen in einer Luxusherberge für viel Geld ein Zimmer nehmen. Dafür stehen die Maschinen sicher auf einem bewachten Parkplatz. Ein wenig wundern wir uns darüber, das im Zimmer ein Prospekt der Stadt Yaroslavl liegt. Yaroslavl liegt etwa 100km süd-östlich von Rybinsk und ist eines der Ziele für den nächsten Tag. Erst am nächsten Morgen, als wir die Stadt verlassen, passieren wir ein Ortsausgangsschild und wissen warum der Prospekt im Zimmer lag: Wir haben nicht in Brybinsk sondern in Yaroslavl übernachtet... Nicht immer ist man in Russland dort, wo man zu sein glaubt.

 

Wir nehmen unseren Plan wieder auf und folgen der Wolga auf kleinen Nebenstrecken und Pisten. Zwischendurch muss uns auch die Jugend in einem Dorf mit dem richtigen Weg weiterhelfen, was diese mit viel Begeisterung auch machen. Auf einer alten Ural fahren sie uns über die Piste voraus - mit wirklich mörderischem Tempo. Erst kurz vor N. Novgorod erreichen wir wieder die Hauptstraße, die uns weiter nach Kazan bringen soll. Dort müssen wir dann auch die Zollpapiere verlängern lassen. In einer Kurve mit Überholverbot bei N. Novgorod muss ich schmunzeln. 2003 wurden wir dort von einem Polizisten angehalten, der hier das Überholverbot überwachte, 2004 stand der Polizeiwagen an der gleichen Stelle und auch jetzt steht hier ein Polizeiwagen und kassiert fleissig ab. Manche Dinge scheinen sich in Russland wirklich nie zu ändern.

 

Corinna ist frohen Mutes als wir Kazan erreichen, mich drückt ein bisschen das Wissen um die Zollpapiere. Zu gut kenne ich die Mühlen der russischen Bürokratie. Kaum vor dem Hotel angekommen hält auch schon ein Motorradfahrer neben uns. Er organisiert einen Dolmetscher und wir erklären unser Problem. Kein Problem, wir werden abends um 20:00 am Hotel abgeholt. Fast der komplette Motorradclub „Freemen“ wartet auf uns. Unser Problem wird diskutiert, es wird telefoniert, neue Leute stoßen zu uns. Plötzlich lachen alle und es folgt die Ansage: „Heute feiern wir, morgen lösen wir euer Problem“. Lange sitzen wir zusammen, erfahren eine Menge über die Freemen-Biker, die allesamt zu den einflussreichsten Leuten in Kazan gehören und haben einen sehr lustigen Abend. Am nächsten Morgen geht es früh in ein kleines Büro in einem heruntergekommenen Haus. Maria, die Tochter eines der Biker ist 16 und spricht fast perfekt Deutsch. Sie füllt endlose Papiere und Formulare für uns aus. Dann müssen wir weiter zur Versicherung. Wie zufällig ist die Chefin der Versicherung eine gute Freundin unseres Begleiters und während wir mit Kaffee und türkischen Süssigkeiten verwöhnt werden, wird unsere Versicherung verlängert. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt fahren wir zusammen mit Zaur, einem weiteren Freemen-Biker, zum Zollamt. Dort kommen die Maschinen in den Park fermé und wir sind zum Warten verdammt. Wir können nur ahnen was Zaur in diesen 4 Stunden vollbracht hat, aber am Ende des Tages halten wir alle Papiere in der Hand. Zum Abschluss werden wir beim Präsidenten der Freemen noch zum Essen eingeladen. Hoffentlich können wir uns für diese grenzenlose Gastfreundschaft irgendwann, irgendwie revanchieren.

 

In Kazan macht die Wolga, die inzwischen dank der vielen Zuflüsse und Staustufen die breite des Bodensees erreicht hat, einen Knick nach Süden. Langsam aber merklich wird die Landschaft eintöniger. Die fruchtbaren Felder mit ihrer fast schwarzen, duftenden Erde weichen den Ausläufern der Kazachischen Steppe. Nur an den Zuflüssen der Wolga ist es noch saftig grün und wir finden, teilweise mit Hilfe der Einheimischen, immer wieder wunderschöne, romantische Ecken zum Zelten.  Wir stehen vor der schweren Entscheidung am rechten Ufer der Hauptstraße zu folgen, oder auf die linke Ufer zu wechseln, wo uns eine lange Piste erwartet. Wir sehen uns an, grinsen und wechseln auf die linke Seite. Wir lassen die Maschinen laufen, was dank der großen Vorderräder auch mit unserem Gepäck und den vollen Tanks kein Problem ist. Da praktisch alle Verkehrsteilnehmer die Hauptstraße nutzen, haben wir die Piste fast für uns alleine. Spaß pur! Kurz vor Wolgograd (dem ehemaligen Stalingrad) steht noch eine Fährüberfahrt über einen Seitenarm der Wolga an. Mitten in der Steppe stehen wir am Ufer und warten mit einigen LKW-Fahrern auf die Fähre. Es gibt zwar einen Fahrplan, den kennt aber keiner so genau. Wir sind umringt von den Wartenden und die Aussage „Nje panimaju“ (wir verstehen nichts) hindert sie nicht daran uns weiter mit Fragen zu bombardieren. Mit Händen und Füßen, unseren Straßenkarten und Zahlen die wir auf einen Stein ritzen verständigen wir uns. Als Die Fähre kommt, haben wir einen Haufen neuer Freunde. Lachend verabschieden wir uns und werden bei jedem Überholmanöver mit wildem Hupen begrüßt. Erstaunlich zu was für Fahrmanövern und Verrenkungen die Menschen hier fähig sind, nur um ein schönes Foto von uns mit dem Handy machen zu können.

 

Schön früh sehen wir die Skyline von Volgograd am Horizont. Über 70km erstreckt sich die Stadt entlang der Wolga. Es ist drücken heiß und wir beschließen einen Tag Pause zu machen. In Ruhe besichtigen wir die Stadt und andächtig besuchen wir die Gedenkstätte „Mutter Heimat“ mitten in der Stadt. Hier wird der Irrsinn eines Krieges mal wieder überdeutlich. Frisch gestärkt verlassen wir die Stadt und wenden uns Astrakhan zu. Die letzte große Stadt am Wolgadelta ist die Kaviarhauptstadt Russlands und der Umschlagplatz für Öl und Gas. In der Steppe steigt die Temperatur auf gut 50 Grad und wir beschließen die 700km bis Astrakhan an einem Tag zu fahren. Schon die Vorstellung bei dieser Hitze ein Zelt aufbauen zu müssen treibt uns den Schweiß auf die Stirn. Die wenigen Cafés am Straßenrand nutzen wir um uns bei frischem Airan mit Dill und Gurken und einem Adzerbaidschanischen Schaschlik zu stärken und zu erfrischen. Von der Hitze wie erschlagen werden wir am Abend in Astrakhan von einem Motorradfahrer angehalten. Er holt seine Freundin Olga als Dolmetscherin. Nach einigen Telefonaten ist eine Unterkunft für uns gefunden und wir werden am nächsten Morgen zu einer Stadtführung eingeladen. Leider müssen wir erfahren, dass alle Straßen die in das Wolgadelta führen aus militärischen Gründen gesperrt sind. Die einzige Möglichkeit der Wolga noch ein paar Kilometer in Richtung Caspisches Meer zu folgen ist eine Hauptstraße. Aber auch die zweigt 30km vor dem Meer nach Westen ab. In Begleitung unserer Freunde fahren wir zur letzten für uns erreichbaren Stelle der Wolga und nehmen Abschied von der Lebensader Russlands, der wir nun 3.500km gefolgt sind.

 

Nun wird es Zeit, uns auf die Suche nach Trulala zu machen. Wir wenden uns gen Westen und verlassen das grüne, fruchtbare Delta der Wolga. Bei der Durchquerung der Kamückensteppe kämpfen wir weiter gegen die mörderische Hitze.  Längst sind die blauen Seen des Wolgadeltas, trockenen Salzseen gewichen. Die Straße verschwindet am flimmernden Horizont. Wir passieren einen Polizeiposten und werden angehalten. Etwas soll mit unserer Registrierung nicht stimmen. Ich werde in ein Büro gebeten, Corinna wird überhaupt nicht beachtet. Im Büro werden die Handschellen auf den Tisch gelegt und ich mit Gefängnis bedroht. Wir haben genügend Registrierungen im Pass, es kann also kein Problem geben, außerdem verstehe ich natürlich kein Wort. Der Polizist beugt sich zu mir herüber und sagt: „ Dollar, Euro“. Da platzt mir der Kragen und brülle ihn auf Deutsch an. Es wirkt, ich bekomme unsere Papiere zurück und wir machen uns aus dem Staub.

 

Die Steppe liegt hinter uns und der Nord Kaukasus erfreut uns mit einer Landschaft, die sehr der Toskana ähnelt. Nur die vielen Ölbohrtürme lassen uns nicht vergessen wo wir sind. Ein letzter Kampf mit einer russischen Stadtdurchfahrt steht an. Wie immer ohne Beschilderung fahren wir gut 2 Stunden durch Krasnodar bevor wir leicht genervt wieder am Ausgangspunkt stehen. Eher durch Zufall entdecken wir eine Umgehungsstraße, die natürlich auch nicht ausgeschildert war. Schneller als gedacht erreichen wir die Grenze und Fähre zur Ukraine. Auch hier versucht ein Polizist nochmals ein bischen Geld rauszuschlagen, aber wir lassen ihn fast 2 Stunden am langen Arm verhungern. Als ich mein Handy raushole, einen russischen Namen nennen, die Wörter Polizeiministerium Moskau und Freund fallen lasse, ist der Zettel mit seinen Vorderungen blitzschnell vom Tisch verschwunden und die Pässe wieder in unseren Taschen. Den Kampf um die Plätze auf der Fähre gewinnen wir und auch die 1-stündige Ignoranz der Zöllner in der Ukraine kann uns nicht viel länger aufhalten. Trulala wir kommen!

 

Die Krim, das Mallorca des Ostens begrüßt uns mit Kurven, Kurven, Kurven. Der wellige, schlechte, teilweise rutschige Asphalt ist wie geschaffen für uns und unsere Maschinen und wir genießen den Kurventango bei wechselndem Blick auf die schroffen Berge und das türkisblaue schwarze Meer.  Als Sahnehäubchen zelten wir direkt am Meer und werden von unseren ukrainischen Zeltnachbarn auch gleich zum Abendessen eingeladen. Bald stellt sich heraus, dass die Ortsangaben für Trulala doch recht ungenau sind. Die Vorstellung, dass ein einfach Blick auf die Karte genügt um den Ort zu finden, entspricht leider nicht der Wirklichkeit. Erst hinter Sevastopol finden wir mit Hilfe zweier Russlanddeutscher auf Urlaub eine alte Frau, die in einem alten Schulheft fein säuberlich die Geschichte von Joseph Beuys notiert hat und uns den entscheidenden Hinweis geben kann. Schnell ist der beschriebene Ort gefunden und wir haben das Ziel unserer Reise „Trulala“ erreicht.

 

Gemütlich machen wir uns bei schlechter werdenden Wetter auf die Heimfahrt durch die Ukraine und Polen und immer mehr stellen wir fest, dass jeder sein „Trulala“ suchen und finden kann - ganz egal wo es liegt und wie es zu erreichen ist.